FAQ - Häufig gestellte Fragen:
Eine Fistel ist eine nicht von der Natur vorgegebene, röhrenartige Verbindung zwischen einem inneren Hohlorgan und anderen Organen oder der Körperoberfläche. Sie bestehen manchmal als embryonale Fehlbildungen, entstehen jedoch meist nach bakteriellen Entzündungen, seltener nach Verletzungen, Operationen oder Bestrahlungen.
Ist bei einer Geburt der Fötus zu groß für den Geburtskanal, presst der kindliche Kopf in tagelangen Wehen und mit großer Kraft gegen das umliegende mütterliche Gewebe, dabei werden Blase und Darm gegen das knöcherne Becken gedrückt. Die Blutversorgung in das dazwischen eingeklemmte, mütterliche Gewebe wird unterbrochen, dieses stirbt ab. 30-40% der Mütter überstehen diese Geburt nicht wegen Blutungen und Infektionen, der Fötus stirbt zu 95%. Überlebt die Mutter, kommt es zu schweren Verletzungen im Beckenbereich. Das geschädigte Gewebe kann vom Körper nicht regeneriert werden, es entsteht eine bleibende Öffnung zwischen Blase und Vagina (Blasen-Scheiden-Fistel, Vesico-vaginale Fistel, VVF), manchmal aber auch zum Enddarm (Darm-Scheiden-Fistel, recto-vesicale Fistel, RVF). Die betroffenen Frauen leiden für den Rest ihres Lebens an schwerster Urin- manchmal auch zusätzlicher Stuhlinkontinenz.
Das Auftreten von Geburtsverletzungen bei Frauen in Entwicklungsländern ist im wesentlichen ein Indiz für ein Frauen diskriminierendes, schlecht ausgestattetes medizinisches System und durch mehrere Faktoren gekennzeichnet: Frühe Schwangerschaft/ Verheiratung oder Unterernährung erhöhen das Risiko für einen verlängerten Geburtsverlauf und das Kopf-Beckenmissverhältnis. Unkenntnis über die Vorgänge bei Schwangerschaft und Geburt sowie rigide gesellschaftliche Vorstellungen (Zwang zur Hausgeburt) können zu einer fatalen Verzögerung medizinischer Intervention führen.
Auf dem Land ist die medizinische Versorgung während Schwangerschaft und Geburt oft unzureichend, demzufolge erreichen die Gebärenden das Krankenhaus zu spät, Ursache kann eine zu zögerliche Überweisung der Ambulanzen, Armut oder Mangel an Transportmitteln insbesondere in der Regenzeit sein. Ein weiterer Faktor ist allerdings auch die Knappheit von medizinischer Ausstattung und Personal an den Kliniken, sie führen zu verspäteter oder falscher Betreuung.
Die Tatsache, dass es heute noch Geburtsfisteln gibt, ist Ausdruck einer Menschenrechtsverletzung und schwerer Diskriminierung von Frauen innerhalb einer Gesellschaft!
Fisteln als Geburtskomplikationen treten überall dort auf, wo im Notfall keine Kaiserschnitt-Entbindung durchgeführt werden kann. Sie sind ein Indikator für ein nicht funktionierendes, Frauen diskriminierendes Gesundheitssystem.
Auch in Europa und Amerika waren Fisteln bis Mitte des 19. Jahrhunderts häufig. Mit Einführung des Kaiserschnittes jedoch, sind Fisteln hierzulande "ausgestorben". Betroffen sind heute vornehmlich das Subsahara-Gebiet, die konservativen islamischen Länder, Asien, hier insbesondere Afghanistan, Pakistan, Indien, Bangladesh und Indonesien, aber auch ländliche, arme Regionen in Lateinamerika.
Neben Fisteln, die Harnleiter, Blase, Harnröhre, Vagina, Gebärmutter und Darm betreffen und unterschiedlicher Ausprägung sein können, gibt es Dammrisse, die Richtung Harnröhre oder häufiger Richtung Darmausgang erfolgen. Sie treten insbesondere bei einem schnellen Geburtsverlauf auf, in dem sich das Gewebe nicht ausreichend dehnen kann, aber selten auch infolge von Vernarbungen nach Beschneidungen (female genital mutilation). Spätfolgen nach Geburten sind verschiedene Ausprägungen von Absenkungen der Beckenorgane, also Harnröhre, Blase, Gebärmutter, Vagina oder auch des Darmes. Ausgeprägter Befund ist die komplette Ausstülpung der Gebärmutter (Uterusprolaps), in Afrika deutlich häufiger als bei uns bei mangender medizinischer Versorgung und nach vielen Schwangerschaften. Alle diese Erkrankungen haben oft einen jahrelangen Verlauf, bis sie richtig diagnostiziert und behandelt werden, zumeist fehlt den betroffenen Frauen in Afrika das Geld dazu.
Außerdem gibt es akute Verletzungen wie der spontane Einriss der Gebärmutter während der Austreibungsphase, die notfallmäßig versorgt werden müssen.
Wenn kleine Blasen-Scheidenfisteln sofort erkannt werden, kann ein Dauerkatheter eingelegt werden und nach einigen Wochen hat sich das Loch verschlossen. Leider befinden sich die meisten Patientinnen zu diesem Zeitpunkt nicht in ärztlicher Behandlung.
Kleinere Fisteln werden in einer relativ einfachen Operation von der Vagina aus verschlossen und die Patientinnen sind geheilt und meist auch wieder kontinent.
Komplizierte Fistel erfordern differenzierte Kenntnisse der Beckenorgane und ihrer Funktion. Langjährige Erfahrung mit einer Kombination gynäkologischer, urologischer und proktologischer Kenntnisse sind erforderlich, um ein adäquates funktionelles Ergebnis zu erreichen. Oft sind mehrere Operationen in Folge notwendig, über ein Drittel der Frauen bleibt weiter inkontinent, da die Blase ihre Funktion nicht mehr erfüllt. Manche Frauen benötigen zum Erhalt ihrer Nierenfunktion im Verlauf eine Harnableitung.
Die Kosten für die gesamte Behandlung sind sehr verschieden und vom Schweregrad der Verletzung abhängig. Für eine einfache Fisteloperation rechnen wir mit einem Kostenaufwand von 500 €, komplizierte Fisteln benötigen jedoch oft mehrere Operationen, die Rehabilitation ist aufwändiger und dauert länger.
Viele Organisationen werben mit relativ niedrigen Behandlungskosten, sie betreffen aber nur reine Operationskosten. In diesen Programmen wird Geld für Operationsteams gespendet, es findet keine weitere Betreuung der Fistulapatientinnen und keine Erfolgskontrolle statt.
Wir halten eine ganzheitliche Behandlung von Geburtsfisteln für essentiell. Psychologische Betreuung, Behandlung von Begleiterkrankungen, Physiotherapie, Rehabilitation und Reintegration der Frauen, wie sie im TERREWODE Fistula Hospital erfolgen, ist für uns von Fistula e.V. Standard der Therapie und kostet natürlich erheblich mehr. Es erfordert den geschützten Raum einer kleinen Klinik, damit fallen alle Krankenhauskosten für eine relativ kleine Anzahl von Patientinnen an. Erreichen können wir damit einen deutlich größeren Heilungserfolg, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch.
Je nach Fistelart und -ausmaß kommen weitere Schädigungen dazu. Infektionen führen zur Vergrößerung der Defekte und Einbeziehung umliegender Organe. Dies kann so weit führen, dass nur noch eine Kloake besteht, also eine gemeinsame Höhle, durch die Urin und Stuhl austritt. Vernarbungen und Entzündungen führen zu Schrumpfblasen mit Harnstauung, nicht selten endet das Leben der Patientin mit dem Verlust der Nierenfunktion. Bei Vernarbung der Vagina wird der Geschlechtsverkehr schmerzhaft oder gar unmöglich. Die Beteiligung von Gebärmutter und Eierstöcken führt zu Unfruchtbarkeit, die psychisch sehr belastend ist, da das meist erste Kind ja im Verlauf der traumatisierenden Geburt verstorben ist.
Häufig sind auch Nervenverletzungen im kleinen Becken durch den Druck des kindlichen Kopfes oder spätere Infektionen, neben einer Beckenbodenschwäche kommt es zur Schädigung der Beinnerven mit Fußheberschwäche (Peroneusläsion).
Die Harn- und Stuhlinkontinenz führt zu chronischen Hautschädigungen, da keine Hilfsmittel wie Binden zur Verfügung stehen. Da meist nicht genügend Wasser und Seife vorhanden sind, verströmen die Fistulapatientinnen einen sehr unangenehmen Geruch nach infiziertem Urin. Soziale Isolation ist die Folge, ohne Rückhalt in der Familie leben sie in großer Armut und sind mangelernährt. All das führt zu schweren Depressionen mit Suizidgefährdung.
Frauen, die an Blasen-Scheiden-Fisteln leiden, werden häufig vom Ehemann verstoßen, nicht verheiratete Jugendliche aus der Familie verbannt. Aber auch, wenn sie bleiben oder in ihre Herkunftsfamilie zurückkehren können, ist ihr Leben sehr beeinträchtigt. Der Gestank und die hygienischen Probleme machen das Zusammenleben mit anderen schwer. Wasser muss von weit hergeholt werden und Seife ist teuer. Hygienische Binden sind völlig unbekannt.
Viele Fistulafrauen leben isoliert in einer Hütte am Rande des elterlichen Anwesens, wo sie ein menschenunwürdiges Dasein fristen. In vielen afrikanischen Kulturen wird eine solche Erkrankung als selbstverschuldet und Gottes Strafe angesehen – so kommt zum Schmerz und der Trauer noch der Verlust von Selbstachtung hinzu.
Auch wenn in den letzten Jahren mehr Informationen über Fernsehen, Rundfunk und Internet in ländliche Regionen gelangt, fehlt häufig das Geld oder auch das Engagement der Familie, Frauen eine Therapie zu ermöglichen. Hier sind Organisationen wie TERREWODE in Uganda mit einer Organisationsstruktur auf Dorfebene sehr hilfreich. Sie finden Fistelpatientinnen über ihre Vorträge oder Kontakte zu den örtlichen Gesundheitsbüros.
Das Leben einer Frau in Subsahara-Afrika unterscheidet sich sehr von deutschen Frauen. Ihre Lebenserwartung beträgt etwa 60 Jahre. Mehr als ein Drittel heiratet unter 18 Jahren und durchschnittlich bringt sie fünf Kinder zur Welt. Analphabetismus auf dem Land ist häufig und der Anteil der Bevölkerung, der mit weniger als 1,90 US $ pro Tag leben muss, liegt bei etwa 50%.
Auch sind sehr schmerzhafte traditionelle Praktiken immer noch verbreitet wie z. B. die Genitalverstümmelung von Mädchen. Schwangerschaft und Geburt stellen für Frauen ein riskantes Unterfangen dar. Schwangerschaftsvorsorge gibt es auf dem Land oft nur auf dem Papier, die Kinder kommen zu Hause zur Welt, ohne jegliche medizinische Hilfe. Die Müttersterblichkeit ist in Uganda mit 375/100.000 Lebendgeborene um ein Vielfaches höher als in Deutschland (7/100.000 Lebendgeborene).
Insbesondere auf dem Land sind die Wege weit, es gibt wenige Hebammen und im Notfall stehen kaum Transportmittel zur Verfügung. Gerade in der Nacht, wenn die meisten Geburten stattfinden, wagen sie die Fahrt wegen der Gefahr von Überfällen nicht und in der Regenzeit werden die Feldwege zu Sturzbächen und sind nicht passierbar. Der Familienvorstand entscheidet, ob für diese Reise überhaupt Geld ausgegeben wird, so dass die Gebärende oft zu spät im Krankenhaus anlangt.
Weibliche Genitalverstümmelung (female genital mutilation, FGM) ist eine schwere Menschenrechtsverletzung und Diskriminierung von Frauen und Mädchen. Sie verursacht den Tod vieler Mädchen und junger Frauen, auch die Mütter- und Neugeborenensterblichkeit steigt dadurch an. Zu Recht wird sie von vielen Organisationen bekämpft und Fistula e.V. unterstützt dies deutlich.
FGM ist jedoch nicht Ursache von Geburtsfisteln, die etwa 8 cm höher durch den Druck des Kinderkopfes auf das knöcherne Becken entstehen. Viele Fistelpatientinnen, insbesondere in Äthiopien und im Sudan, wurden auch Opfer dieser schrecklichen traditionellen Praktiken.
Fistelbildung kommt selten bei den radikalsten Techniken der Beschneidungen (Typ III, Infibulation) vor und betrifft ausschließlich die Harnröhre. Ausgeprägte Dammrisse und Verletzungen des äußeren Genitales sind beim Einreissen von Vernarbungen unter der Geburt möglich.
Sowohl Geburtsfisteln wie auch Beschneidungen sind Folge rigider Gesellschaftssysteme, sind Zeichen der Diskriminierung von Frauen und stellen eine Verletzung der Menschenrechte dar. Geburtsfisteln sind aber zudem Indikator eines insuffizienten Gesundheitssystems.
Die genaue Zahl der Frauen, die an Geburtsfisteln leiden, ist sehr schwer zu ermitteln, da Betroffene oft in entlegenen Gebieten und am Rand der Gesellschaft leben. Aufgrund unserer langjährigen Erfahrungen in Äthiopien, wo wir selbst Daten erhoben haben, nehmen die Erkrankungszahlen erfreulicherweise ab und sind in den Veröffentlichungen der WHO und anderer Organisationen wahrscheinlich zu hoch angesetzt. Offizielle Daten gehen von folgenden Schätzungen aus: weltweit sollen jedes Jahr 50.000 bis 100.000 Frauen Geburtsfisteln erleiden, etwa zwei Millionen Frauen seien betroffen.
Für Uganda gibt es Zahlen des Gesundheitsministeriums aus den Jahren 2011 - 2016, wonach von einer jährlichen Inzidenz von 1900 Fisteln und 200.000 betroffenen Frauen ausgegangen wird, das wären 1% der Geburten. Nur 3% der betroffenen Frauen suchen ärztliche Hilfe, aus Unkenntnis oder Geldmangel.
Für weitere Informationen kopieren sie diesen Link in Ihren Browser.
https://fistulacare.org/archive/files/5/5.4/Uganda_National_Obstetric_Fistula_Strategy.pdf
Geburtsfisteln sind vermeidbar und kommen in der westlichen Welt seit Einführung des Kaiserschnitts nicht mehr vor. Wichtig ist eine moderne Geburtshilfe mit ausgebildetem medizinischen Personal, in der Komplikationen frühzeitig erkannt und behandelt werden. Gesundheitserziehung auch auf dem Land mit Aufklärungskampagnen auf den Dörfern, um Hausgeburten zu vermeiden, ist essentiell. Aber wichtig sind auch ausreichende Kapazitäten im Gesundheitswesen, eine gut organisierte Schwangerschaftsvorsorge und rascher Transport zu einem gut ausgerüsteten Krankenhaus, unabhängig von den finanziellen Ressourcen der Gebärenden.
Die Anzahl der gefährdeten Schwangeren kann durch Verbot von Kinderehen, Aufklärung und Familienplanung sowie Verhütung auch für Jugendliche vermindert werden. Insbesondere jugendliche Schwangere sind von Fisteln betroffen, da das Becken noch nicht ausgewachsen ist.
Mit Ihrer steuerabzugsfähigen Spende an Fistula e.V. unterstützen Sie unsere Projekte für Frauengesundheit in Afrika. Unser derzeit größtes Projekt ist TERREWODE in Uganda, wo wir sowohl den Krankenhausbetrieb wie auch die Reintegrationsarbeit für betroffene Frauen und die Prävention von Geburtsfisteln mitfinanzieren. Neben Geldüberweisungen schicken wir aus Deutschland Medizintechnik, die wir vor Ort einführen und mitbetreuen. Außerdem beraten wir das Krankenhaus in organisatorischen Fragen.
Wir hoffen, bald auch wieder in Äthiopien tätig werden zu können.
Durch Ihre einmalige oder regelmäßige finanzielle Unterstützung ermöglichen Sie es, Frauen mit Geburtsverletzungen ihre Gesundheit und ihre Würde zurückzugeben.
Sachspenden sind immer gut gemeint, stellen Fistula e.V. jedoch häufig vor unlösbare logistische Probleme. Die afrikanischen Behörden haben sehr strenge Zollbestimmungen, deshalb können im Allgemeinen keine gebrauchten Instrumente oder Geräte verschickt werden.
Medizinische Verbrauchsmaterialien sind im Land in ausreichender Qualität und Menge erhältlich.
Mit Ihren Geldspenden finanzieren wir notwendige Medizintechnik in enger Absprache und Kooperation mit unserem Partnerkrankenhaus.
Sprechen Sie mit Ihrer Familie, Bekannten und Freunden über das Fistelproblem in Entwicklungsländern. Je präsenter das Thema bei uns ist, desto eher wird sich auch in diesen Ländern die Situation zugunsten der Frauen verändern. Informationsmaterial können Sie kostenlos direkt in unserem FISTULA SHOP bestellen.
Fistula e.V. sucht aktive, engagierte Menschen, die in unserem Verein mitarbeiten wollen und Mediziner, die bereit sind, wissenschaftliche Vorträge im Kollegenkreis, vor Hebammen oder auch vor Laien zu halten.
Fistelpatientinnen brauchen auch Fürsprecher in entwickelten Ländern - nur mit unserer Unterstützung wird sich die Gesundheitsvorsorge in den Entwicklungsländern nachhaltig ändern. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an: info@fistula.de