"Obstetric Fistula Awareness and Advocacy Network"
Offen bekennen sich die Frauen mit Unterstützung der Gruppe zu ihrer Erkrankung. "I have a fistula!" singen sie und berichten stolz über ihren langen Weg zur Heilung und ihr wiedererlangtes, autarkes Leben. Sie singen Lieder über Fistula, Gemeinschaft und gegenseitige Hilfe, meist begleitet von einigen Männern aus dem Dorf auf einfachen, selbst gebauten Instrumenten. In kleinen Rollenspielen verdeutlichen sie ihre Lage und erzählen die Geschichten auch in umliegenden Dörfern.
So werden die TERREWODE-Ideen über das Land getragen.
In den Dörfern entwickelt sich mehr Toleranz gegenüber den Fistulafrauen und ihre Wertschätzung innerhalb der Gemeinschaft steigt. Das dadurch enstehende Vertrauen führt dazu, dass sich betroffene Frauen bei TERREWODE melden und eine Behandlung anfragen.
Das Hauptaugenmerk der Selbsthilfegruppen liegt auf psychischer Unterstützung und Reintegration der Fistelpatientinnen. Das Selbstbewusstsein der erkrankten Frauen soll gestärkt und Lebensfreude zurückgegeben werden durch Tanz, Theater und Musik. Mit Fortbildungen werden unternehmerische Fähigkeiten verbessert. Ehemänner werden mit einbezogen, um der Isolierung der Frauen vorzubeugen.
Seit 2005 organisiert TERREWODE neben den zweiwöchigen Reintegrationskursen dörfliche Selbsthilfegruppen:
Die Organisation „Obstetric Fistula Awareness and Advocacy Network“ (OFAAN) ist wie ein Netz, das sich über Uganda spannt. Über 2.000 Freiwillige in 60 Gruppen helfen beim Kampf für ein selbstbestimmtes Leben für Frauen und die Wiederaufnahme von Fistulapatientinnen in ihre Dorfgemeinschaften.
Im Fokus steht die eigenständige Entscheidung der Frauen über eine Schwangerschaft, über Verhütungsmittel, Lebens- und wirtschaftliche Autonomie sowie Rechte in der ugandischen Gesellschaft. Neben Fistula-Überlebenden und ihren Ehemännern sind ehemalige Sozialarbeiter, Mitarbeiter der lokalen Gesundheitsbehörden, Frauengruppen und sogar Würdenträger aus Gemeinden und Kirchen mit im Boot. Sie organisieren Landkauf und Mikrokredite für Gruppenmitglieder, es entstehen auch kleine landwirtschaftliche Kooperativen.
Die Organisation sieht sich als Lobbyist für Frauenrechte auf dem Land und innerhalb des ugandischen Gesundheitssystems. Ergänzend zu den dörflichen Gruppen agieren regionale Gremien, in denen sich ehrenamtlich Lokalpolitiker, kirchliche Würdenträger, Ärzte und Angehörige weiterer medizinischer und sozialer Berufe engagieren.
Kampagnen in Rundfunk und Fernsehen informieren über gesunde Mutterschaft, Familienplanung und mobilisieren gegen häusliche Gewalt.
Mit Fortbildungen werden unternehmerische Fähigkeiten verbessert. Die Gruppen verwaltet Mikrokredite selbständig, oft wird heftig darüber diskutiert, welches Projekt erfolgversprechend wäre und wer nun zuerst unterstützt werden kann. Frauen werden so zu kleinen Unternehmerinnen, attraktiv in der Dorfgemeinschaft, und viele Ehemänner kehren voller Stolz zu ihnen zurück. Die meisten Gruppen gibt es im Bezirk Teso, dem Ursprungsgebiet TERREWODES, im ärmlichen, östlichen Teil Ugandas. Das Projekt weitet sich jedoch stetig aus. Insbesondere dann, wenn aus Fistula-Kampagnen in anderen Bezirken ganze Gruppen betroffener Frauen zusammen zur Operation kommen. So entstehen neue Einheiten, die die Ideen wieder weiter tragen.
Fistula e.V. unterstützt OFAAN finanziell und so werden die Spenden auch gezielt für die Prävention von Geburtsverletzungen, die Wiedereingliederung und nachhaltige Förderung der Frauen verwendet. Diese Organisation bietet eine hervorragende Möglichkeit, die einfache Bevölkerung zu erreichen und ist sehr erfolgreich, da Informationen in der Sprache der Menschen vermittelt werden, von Nachbarn, denen man vertraut. Es wird demonstriert, dass aus den schwächsten, verletzten Gliedern der Gemeinschaft starke, selbständige Persönlichkeiten werden.
Das Thema Familienplanung spielt eine große Rolle in der Entwicklung der Autonomie der ugandischen Mädchen und Frauen. Geburtsfisteln treten häufig bei jugendlichen Erstgebärenden auf. Sex mit Minderjährigen (unter 18 Jahre) ist in Uganda zwar gesetzlich verboten, doch auf dem Land werden Mädchen noch in hohem Prozentsatz bereits als Jugendliche traditionell verheiratet, ohne Kenntnis der Behörden. Sexualaufklärung gibt es nicht an ugandischen Schulen, Jugendliche haben keinen Zugang zu Verhütungsmitteln, all dies wird massiv gestützt durch konservative religiöse Eliten, katholisch, protestantisch und muslimisch.
Frauen nach erfolgreicher Fisteloperation brauchen dringend eine längere Phase der sexuellen Karenz und genügend Zeit bis zur nächsten Schwangerschaft, um eine erneute Verletzung zu verhüten. Insbesondere Teenager benötigen Informationen, um nach ihren eigenen Wünschen einmal eine Familie zu planen und über eine neue Schwangerschaft zu entscheiden.
TERREWODE engagiert sich seit über einem Jahrzehnt für das Thema Familienplanung im Rahmen der Reintegration von Fistelpatientinnen und in den dörflichen Selbsthilfegruppen. Es gibt detaillierte Informationen und Frauen wird der Zugang zu Verhütungsmitteln erleichtert, dabei kooperieren die Gruppen mit den lokalen Gesundheitsbüros. Die Unterstützung der Frauen findet so nicht nur ideell, sondern sehr konkret in Begleitung einzelner Frauen in ihrer Entscheidung bis zur Durchführung der Familienplanung statt.
Außerdem leisten sie Lobbyarbeit bei lokalen Behörden und Politikern und integrieren die Männer in das Thema. Die Zusammenarbeit mit dem ugandischen Gesundheitsministerium und ausländischen Partnern wie Amref Health Africa, UNFPA und EngenderHealth ist dabei für den Erfolg von Bedeutung.